Inhaltsverzeichnis dieses Artikels
- I. Klosterknechte, Schlossberg-Pächter, Bauern am „Römerhof“…
- II. Die 10 Gschlössler-Generationen in Seefeld
- 1. Die erste (bisher) bekannte Kuen Generation in Seefeld (um 1600 n. Chr.)
- 2. Die zweite bekannte Kuen-Generation in Seefeld (ab cà 1640)
- 3. Die dritte Generation
- 4. Die vierte Generation der Kuen in Seefeld, die zweite Generation der „Schlössler-Pächter“.
- 5. Die fünfte Generation, vom „Schlossberg-Pächter“ zum „Schloss Bauer“
- 6. Die sechste Generation, eine „Kriegsgeneration“
- 7. Die siebte Generation
- 8. Die achte Generation zur Jahrhundertwende
- 9. In der Gegenwart angelangt: die neunte und zehnte Gschlössler-Generation in Seefeld
Zu den ältesten Häusern in Unterseefeld, wo auch das Stammhaus des Hauserclans steht (Balthasar Neuners Haus Nr. 93 in der Heilbadstraße), gehört der „Römerhof“, Münchner Straße 88. Es war bis zum Tod von Alberta Kuen 2014 das Haus der Familie Kuen mit dem Vulgonamen „Gschlössler“. Diese alteingesessene Seefelder Familie verdankt ihren Vulgonamen der alten Festung Schlossberg.
Die Familien-Saga der „Gschlössler“ birgt Überraschendes und Interessantes. Nicht nur für die Familienmitglieder, sondern auch für die Seefelder Dorfgeschichte.1
I. Klosterknechte, Schlossberg-Pächter, Bauern am „Römerhof“…
Wenn man im Seefelder Taufbuch am 2. Februar 1606 (!) die Eintragung der Taufe eines Tobias findet, dessen Eltern Georgy Cain und Anna (den Familienname der Ehefrau Anna kennen wir nicht, er wird zu dieser Zeit in der Regel noch nicht angegeben) heißen, kann man noch nicht von vorneherein einen aktuellen Gegenwartsbezug herstellen. Niemand in Seefeld kann sich heute an einen Familiennamen Cain erinnern…
1. Über 400 Jahre Familientradition
Blättert man weiter, erkennt man aber bald, dass es sich bei dieser vor über 400 Jahren gemachten Eintragung nicht um einen Einzelfall einer sonst unbekannten oder zumindest längst ausgestorbenen Seefelder Familie handelt, sondern dass es einerseits bereits zu jener Zeit in Seefeld zwei Familien mit diesem Familiennamen, gegeben hat, und dass sich andererseits ausgehend von einer dieser Familien durch die folgenden Jahrhunderte hindurch bis heute eine durchgehende Familientradition verfolgen lässt. Es ist die Familiengeschichte der Kuen mit dem Vulgonamen „Gschlössler“.
„Gschlössler“ – Kuen wohnten bis 2014 in Seefeld im „Römerhof“, Münchner Straße 88, und bis heute (2017) im Haus Kuhn, Andreas-Hofer-Straße 131. Darüber hinaus leben die „Gschlössler“ bzw. Träger des „Gschlössler-Gens“ natürlich durch die Verehelichung von Töchtern der „Gschlössler“-Familien aller Generationen mit Söhnen verschiedener anderer Seefelder Familien in vielen anderen Familien unter anderen Familiennamen in Seefeld und darüber hinaus weiter.
2. „Gschlössler“ und „Zeirer“
Wie allen Seefeldern bekannt ist, gibt es noch einen zweiten Kuen-Clan in Seefeld, jenen der „Zeirer“. Diese Familien haben allerdings mit dem „Gschlössler“-Kuen-Clan nicht unmittelbar zu tun. Der Vulgonamen „Zeirer“ stammt von einer Linie der Seefelder Zunterer, die es heute in Seefeld nicht mehr gibt. Aber die Tochter eines der letzten Seefelder Zunterer (Maria Zunterer, geb. 1879) hat 1901 in Zirl den dortigen Fuhrmann (Frächter) Anton Kuen geheiratet. Ihr Sohn Anton Kuen (geb. 1904) zieht wieder nach Seefeld, heiratet hier die Anna Neururer, führt selbst als „Zeirer-Toni“ den Vulgonamen seiner Mutter und gibt ihn an seine Nachkommen weiter.
Die Geschichte des Zunterer-Clans in Seefeld findest du im Jahrbuch 2011 der Seefelder Ortschronisinnen oder hier.
Auch wenn die beiden genannten Kuen-Familientraditionen in Seefeld nicht direkt miteinander verwandt sind, so ist doch nicht uninteressant, dass einer der ersten Kuen in Seefeld, Michael Kuen, bei seinem Tod 1640 als „quanda aurigo“, also als „ehemaliger Fuhrmann“ bezeichnet wir. Dass es in früheren Zeiten auf Grund der Verkehrlage sowohl in Seefeld als auch in Zirl mehrere Fuhrleute gegeben hat, ist evident. Und dass bereits die ersten Kuen, die um 1600 in Seefeld sesshaft werden, aus dem Inntal kommen, ist durchaus möglich beziehungsweise sogar wahrscheinlich (siehe weiter unten). Es ist zwar Spekulation, aber durchaus möglich, dass die „Zeirer“ und „Gschlössler“ gemeinsame Vorfahren haben. Allerdings gibt es auch schon sehr frühe Nennungen des Familiennamens Kuen andernorts, z. B. im Allgäu.
3. Die Gschlössler und der Schloßberg
Der Vulgoname „Gschlössler“ für Familien mit dem Schreibnamen Kuen (vorher auch Khyen, Kien, Khien, Khuen, Chain, Kuhn), die seit Generationen am nördlichen Ortsende von Seefeld in unmittelbarer Nähe der ehemaligen Festung Schlossberg wohnen, begründet natürlich den Verdacht, dass diese Familie etwas mit dem Schlossberg zu tun haben könnte. Und zwar mehr als nur eine unmittelbare Nachbarschaft. Und tatsächlich, eine Recherche in den alten Matrikenbüchern (kirchliche Standesbücher) und Urbarien (den alten Grund- und Lagerbüchern, in denen alle urbar gemachten Liegenschaften erfasst wurden) bestätigt diese Vermutung.
Oswald Kuen, geboren 1661, ein Enkel der eingangs erwähnten Georgy Cain und seiner Frau Anna, ist „vilicus in arce Schlossberg“, also „Pächter auf Burg Schlossberg“. Auch sein Sohn Mathias Kuen (geboren 1696) und dessen Sohn Joannes Kuen (geboren 1730) üben diese Funktion aus. Somit sind Mitglieder der Familie Kuen durch drei Generationen Pächter und damit Verwalter der Güter, die zur ehemaligen Burg Schlossberg in Unterseefeld gehören.
In diesem Beitrag begeben wir uns nun auf die Fährte dieses eher kleinen, aber auf Grund der vielfältigen Verbindungen zur Seefelder Orts- und Familiengeschichte nicht uninteressanten „Gschlössler-Clans“.
4. Der Schloßberg und das Seefelder Augustinerkloster
Ein Geschenk, das man sich heute schwer vorstellen kann: die politischen Machthaber eines Landes schenken einer Dorfkirche in einem „Nest“ mit 15 Häusern und 200 Einwohnern auf einer abgelegenen und unwirtlichen Hochfläche in Tirol neben anderen Liegenschaften auch die Güter einer ehemals bedeutenden Festung, mit allen Gütern und Rechten.
Aber in diesem „Nest“ – Seefeld vor über 400 Jahren – gibt es nicht nur ein raues Klima, einen kargen Boden, und eine 1263 erstmals erwähnte Burg und Festung, sondern auch eine berühmte Wallfahrt und ein neues Kloster, das gerade fertig gestellt wird. Und die Festung, um die es geht, ist um 1600 bereits im Verfall begriffen, sie ist aber immer noch mit zahlreichern Grundrechten und andern Rechten ausgestattet. Die Wallfahrt (nach einem „Hostienwunder“ im Jahr 1384) und das Kloster sind der Obrigkeit ein großes Anliegen, deshalb sorgt man sich nicht nur um dessen Bau und die Ansiedlung einer Ordensgemeinschaft, sondern auch um eine entsprechende wirtschaftliche Ausstattung, damit dieses Kloster „leben kann“.
1586 fallen die Güter der ehemaligen Schlossberg-Festung durch den Landesfürsten Erzherzog Friedrich II. an die Seefelder St. Oswald-Kirche. Der Neubau (die Vergrößerung) dieser St. Oswald Kirche wurde damals erst vor cà 100 Jahren unter Sigmund dem Münzreichen 1474 fertig gestellt, der Bau des angrenzenden Klosters zieht sich immer noch in die Länge, geht aber endlich seiner Vollendung entgegen (Fertigstellung 1604).
Zur ehemaligen Festung Schlossberg am nördlichen Ortsrand von Seefeld (Unterseefeld) gehören einige Ländereien (Wälder, Wiesen) und mehrere Rechte (Zinse, Zölle, einige Jagd- und Fischereirechte). Das Gebäude selbst ist zwar schon seit Jahren nicht mehr bewohnbar, aber in der Nähe gibt es noch ein intaktes „Zollhaus“, die Liegenschaften können bewirtschaftet, der Zoll eingehoben und die übrigen Rechte müssen geltend gemacht werden. Erzherzog Ferdinand II. übergibt nun 1586 diese Güter der St. Oswald Kirche und in weiterer Folge den Augustiner Chorherren, die 1604 in das neue Kloster einziehen werden.
5. Die Verwaltung der Klostergüter „am Schloßberg“
Für die wirtschaftlichen Dienste im Kloster selbst engagiert man von Beginn an Dienstleute, die zusätzlich zu den klostereigenen Laienbrüdern den Klosterbetrieb aufrecht erhalten. Das neue Kloster wird somit nicht nur ein geistliches Zentrum, sondern auch ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor für die ganze Gegend. Es wird Arbeitgeber und bietet (bescheidene) Verdienstmöglichkeiten für viele Familien in Seefeld und darüber hinaus. Man braucht Arbeitskräfte für verschiedenste Dienste in Haus und Hof (Knechte, Fuhrleute, Schneider, Schreiber, Musiker…). Die zahlreich erhaltenen Dokumente (Rechnungen, Quittungen, Jahresabschlüsse…) nennen die Namen, die Berufe, die Handwerker und Dienstleister.
In diesem Zusammenhang tauchen neue Familiennamen in Seefeld auf, unter ihnen eine Familie Cain, die um diese Zeit – wahrscheinlich vom Inntal herauf – nach Seefeld kommen dürfte: ein Joannes Khain, geboren kurz nach 1600, ist bei seiner Eheschließung 1648 in Seefeld „famulus conventus“, also „Knecht“ oder „Gehilfe“ im Kloster. Er ist der Bruder des am Beginn dieses Artikels genannten Tobias Cain.
Nun hat das Kloster aber nicht nur das Kloster selbst und die unmittelbar damit zusammenhängenden Dienste und Arbeiten (Beherbergung und Bewirtung von Gästen, Brauerei, Landwirtschaft…) zu organisieren, sondern auch die ehemaligen Schlossberggüter zu bewirtschaften, die durch die Schenkung des Landesfürsten zu „Klostergütern“ geworden sind. Auch diese Arbeit erledigen die Ordensmänner nicht selbst, sondern sie bedienen sich dazu wie vermutlich auch bei der Bewirtschaftung einer „Klostermühle“ eines Pächters oder Verwalters („vilicus“). Die Berufsbezeichnung „vilicus monastery“ (Pächter des Klosters) findet sich bei mehreren Personen (z.B. 1620 beim „Kirchprobst“ Joannes Englsberger, der 1621 verstirbt, später bei seinem Sohn Sebastian Englsperger, 1668 bei Bartholomäus Gapp, 1673 bei dessen Sohn Georg Gapp, 1682 bei Andreas Gapp).
Auf Grund der bisher aufgefundenen Akten und Schriftstücke ist es leider (noch) nicht möglich, den einzelnen „Klosterpächtern“ die von ihnen gepachteten Liegenschaften und dazugehörigen Rechte und Pflichten exakt zuzuordnen. Schon im Jahr 1619 findet sich bei der Taufe eines Sohnes von Sebastian Engelsperger, dem „vilicus monastery“ („Klosterpächter“), und seiner Frau Anna als Zusatz der Wohnort „in Schlossberg, Pfarre Mittenwald“ (Unterseefeld gehört damals bekanntlich pfarrlich zu Mittenwald). Auch beim Tod seiner zurückgelassenen Witwe Anna Englsperger wird 1640 angegeben, dass sie „in arce Schlossberg“ verstirbt, also „auf der Burg Schlossberg“. Bereits der Kirchpropst Joannes Englsberger (verst. 1621, s.o.) zahlt einen Zins auf die „Schlossberggüter“, ohne dass er direkt als „Schlossbergpächter“ bezeichnet wird. Auf Grund historischer Zeugnisse über den damaligen baulichen Zustand der ehemaligen Festung kann sich der Wohnort „auf Schlossberg“ eigentlich nur auf das in der Nähe der Ruine liegende und zur ehemaligen Festung gehörende „Zollhaus“ beziehen5. Von einer weiteren zum Schlossberg gehörenden Behausung ist nichts bekannt.
6. Die Gschlössler als Schloßberg-Pächter
Im Urbarium von 16866 findet sich bei Bartlmä Gressl, dem „Bstandtsmann auf dem Milserischen Schloss“, der jährlich „auf Gertraudi“ als Bestandszins für diese Güter 21 Gulden zu entrichten hat, der nachträglich eingefügte – leider undatierte – Zusatz: „Oswald Khain als jeziger“. Daraus geht hervor, dass Oswald Khain (Kuen) der Nachfolger von Bartlmä Grässl als Pächter der Schlossberg-Güter ist. Oswald Khains Sohn und Nachfolger als Schlossberg-Pächter Mathias Khain zinst laut Urbarium von 1743 bereits 40 Gulden, und diese Summe schuldet und bezahlt auch der dritte Schlossberg-Pächter aus der Familie Kuen, Joannes Kain, der Sohn von Mathias Khain.
In die Zeit des Joannes Kain als dritter Schlossberg-Pächter aus der Kuen-Familie fällt die Auflösung des Seefelder Augustinerklosters 1785 durch Josef II. und die Übertragung der Seelsorge an das Stift Stams. Damit endet die cà 100-jährige Periode der Kuen-Pächter auf den klostereigenen Schlossberggütern. In den nachfolgenden Aufzeichnungen7 wird Joannes Kain nicht mehr „Schlossberg-Pächter“ sondern „Schloss Bauer“ genannt. Die Familie verliert also die Funktion als Schlossberg-Pächter, bewirtschaftet nun aber eine kleine Landwirtschaft, die vermutlich aus einem Teil der ehemaligen Schlossberggüter hervorgeht, wohnt damit weiterhin in der Nachbarschaft der ehemaligen Festung und bewahrt sich bis heute in ihrem Vulgonamen die Beziehung zu ihrer ehemaligen Tätigkeit.
Der Seefelder Vulgonamen „Gschlössler“, in früheren Urkunden „Schlössler“8 ist also einer der traditionsreichsten Hausnamen Seefelds, und seine Träger verweisen uns auf jenes Bauwerk und dessen Bedeutung, das Jahrhunderte lang mit dem Ort und der ganzen Gegend „auf dem Seefeld“ untrennbar verbunden ist. Die ehemalige Festung Schlossberg hat nicht nur einem früher berüchtigten steilen Straßenstück kurz vor der nördlichen Ortseinfahrt von Seefeld seinen Namen gegeben („s’Gschloß“), sondern auch jener Familie, die seit Generationen „am Schlossberg“ wohnt. Der Vulgoname „Gschlössler“ verweist uns aber auch auf das Seefelder Kloster, denn bereits vor der Tätigkeit als Verwalter der Schlossberg-Güter sind die ersten bekannten Familienmitglieder der Kuen in Seefeld im Dienst des Klosters: sie gehören zu den ersten Dienstboten des neu gegründeten Seefelder Augustinerklosters.
Somit können wir in einer ersten „Zwischenbilanz“ festhalten, dass
- die Familie Kuen bereits zu Beginn der schriftlichen Aufzeichnungen in den Kirchenbüchern um 1600 in Seefelder anwesend ist;
- die Familie Kuen damit zu den ältesten in Seefeld ununterbrochen ansässigen Familien gehört;
- die ersten bekannten Familienmitglieder im Dienst des neuen Seefelder Klosters stehen, vermutlich sind sie sogar deshalb vom Inntal herauf nach Seefeld gekommen;
- sie ein halbes Jahrhundert später durch drei Generationen als Pächter bzw. Verwalter der klösterlichen Schlossberggüter tätig sind;
- sie ihren bis heute gebräuchlichen Vulgonamen „Gschlössler“ (ursprünglich „Schlössler“) dieser ehemaligen Funktion verdanken;
- und die Lage ihres Hauses am Beginn des Gefälles der Straße nach Scharnitz, dem „G’schloß“, und am Rand der Schlossberggüter bzw. Klostergüter mit dieser Tätigkeit zu erklären ist.
II. Die 10 Gschlössler-Generationen in Seefeld
Vielleicht ist es nun für den einen oder die andere interessant mehr über die alteingesessene Seefelder Familie Kuen zu erfahren, die wie wenige andere mit den beiden wichtigsten Traditionsträgern der Seefelder Vergangenheit – dem Schlossberg und dem Augustinerkloster – verbunden ist.
Die wichtigsten Informationen zur Familiengeschichte der Seefelder „Gschlössler“ liefern uns die Kirchenbücher. Zeitgleich mit der Übernahme des neuen Klosters beginnen die Ordensmänner, die nun auch für die Seelsorge in Seefeld zuständig sind, mit der Führung der seit einigen Jahren (Konzil von Trient) vorgeschriebenen kirchlichen Standesbüchern, den sog, „Matriken“.
So werden in Seefeld ab dem Jahr 1603 gemäß kirchlichen und später auch staatlichen Vorschriften in diesen Büchern (manchmal lückenhaft, meist aber sehr konsequent) alle Taufen, etwas später auch alle Firmungen, Eheschließungen und Sterbefälle aufgezeichnet. Sie sind heute eine wahre Fundgrube für viele interessante Fragestellungen. Denn bei diesen Eintragungen finden sich – in unterschiedlicher Häufigkeit und Genauigkeit – nicht nur die genannten Daten, sondern auch Berufsbezeichnungen, Vulgonamen, Wohnstätten, Krankheiten bzw. Todesursachen usw. Alle diese Daten sind öffentlich zugänglich, die Bücher wurden vor einigen Jahren mikroverfilmt und können im Tiroler Landesarchiv eingesehen werden9.
Wichtig ist der Hinweis, dass es bei der Beschreibung der Familientradition der Kuen „Gschlössler“ in Seefeld (nur) um die eingeschränkte Betrachtungsweise der Tradition des Familiennamens und des Hausnamens über die männlichen Nachkommen geht. Dies ist natürlich ein Ausfluss unserer bisher ausschließlich patriarchalisch geprägten Kultur.
Beim Familiennamen „Kuen“ kann man grundsätzlich annehmen, dass es sich dabei um einen alten, typischer Tiroler Familiennamen handelt, der schon vor Jahrhunderten an mehreren Orten – mit Ausnahme des Tiroler Unterlandes – vorgekommen ist10 Heute ist der Familienname natürlich etwas weiter verbreitet, die Verteilung beschränkt sich allerdings – von einzelnen Vorkommen abgesehen – auf den Tiroler und Südbayrischen Raum.
Exkurs: Cain, Khain, Khun, Kein, Kuen…
Auch für den Familiennamen Kuen ist typisch, dass sich seine Schreibweise im Lauf der Jahrhunderte mehrmals geändert hat. Die Eintragungen erfolgten früher ja nicht auf Grund vorgelegter amtlicher Dokumente, sondern nach dem Hörensagen, und die verschiedenen Schriftführer der Kirchenbücher (damals Angehörige oder zumindest Bedienstete des Seefelder Klosters, die ja die Seelsorge an der 1604 inkorporierten St. Oswald-Kirche betrieben) haben den angegebenen Familiennamen eben immer wieder anders „gehört“ bzw. verstanden. Erstaunlich, dass eine der ältesten Eintragungen neben „Cain“ auf „Kuen“ lautet, während zwischenzeitlich u.a. die Formen Khain, Khun und Kien vorkommen.
Um einer leichteren Lesbarkeit willen, und um die Familienzusammenhänge leichter nachvollziehbar zu gestalten, wird in weiterer Folge diesem Beitrag in der Regel die einheitliche Schreibweise „Kuen“ verwendet, unabhängig von der Schreibweise in den Originaldokumenten.
Die 10 bekannten Gschlössler-Generationen in Seefeld.
1. Die erste (bisher) bekannte Kuen Generation in Seefeld (um 1600 n. Chr.)
a) Die ersten schriftlichen Zeugnisse über die Anwesenheit einer Kuen-Familie in Seefeld betreffen die Familie eines Georg Kuenund seiner Frau Anna. Die Daten über ihre Geburt und ihre Eheschließung sind uns nicht bekannt, da zum Zeitpunkt dieser Anlässe die Kirchenbücher noch nicht geführt werden. Trotzdem wissen wir um die Existenz dieses Elternpaares, da einige (wenige) Daten zu ihrer Familie aus den Jahren nach der Eheschließung vorliegen. Wir wissen, dass sie Kindern das Leben geschenkt haben, und wir wissen, dass ein Georg Kuen 1644 und seine Ehefrau Anna 1648 in Seefeld verstorben sind.
Die Geburten und Taufen sowie einige weitere Daten folgender Kinder sind aufgezeichnet bzw. ihnen zuzuordnen:
- Georg, um 1602. Er heißt nicht nur wie sein Vater, sondern heiratet wie sein Vater auch eine Anna und gründet mit ihr eine Familie. Er verstirbt im Jahr 1672.
- Anna, geb. 1603, heiratet 1644 einen Michael Schönicher (heute Schennach?).
- Tobias, 1606, seine Taufe ist die erste direkt eingetragene Kuen-Taufe in Seefeld (s.o.).
- Maria, geb. 1609, Patin ist Magdalena Sailer.
- Martin, geb. 1612, Pate: Caspar Sailer.
- Christina, geb. 1617, Patin: Anna Sailer.
- Eva, geb. 1619, Patin: Anna Sailer; Eva heiratet 1644 einen Mathias Schändl aus Leutasch. Der Familienname Schändl oder Schandl ist damals ein geläufiger Name in Leutasch und Umgebung.
- JOANNES, Geburtsdatum unsicher, heiratet 1648 die Elisabeth Sailer und gründet eine Familie. Joannes verstirbt 1676. Die Nachkommen dieser Familie sind die Ahnen der bis heute in Seefeld ansässigen „Gschlössler“-Kuen.
Die Taufen der hier angeführten Kinder Georg und Joannes sind nicht eingetragen, da einerseits die schriftlichen Aufzeichnungen erst später beginnen, andererseits gerade zu Beginn die Aufzeichnungen unvollständig sind. Es könnte auch durchaus sein, dass sie nicht in Seefeld geboren und getauft worden sind. In späteren Nennungen (Eheschließungen, Patenschaften…) werden aber bei allen ihre Eltern mit den Namen Georg Kuen und Anna angegeben.
b) Für die gleiche Zeit sind die Taufen von Kindern eines zweiten Kuen-Elternpaares verzeichnet, nämlich von Michael Kuen (bzw. Küen und Kien) und seiner Ehefrau Margareta Kätzlerin (für diese Zeit noch unüblich wird ihr Familienname bei der Taufe eines ihrer Kinder angegeben). Es ist leicht möglich, dass es zu dieser Familie außer den unten angeführten Kinder noch weitere gibt, die vor 1606 auf die Welt gekommen sind. Ob und wenn ja in welcher Form Michael Kuen mit Georg Kuen verwandt ist, kann nicht eindeutig beurteilt werden, es ist möglich und wahrscheinlich, dass sie Geschwister sind.
Ihre eingetragenen Kinder sind:
- Barbara, geb. 1606, Patin: Anna Jäger aus Reith.
- Sebastian, geb. 1610, Pate: Joannes Wanner aus Reith, Pfarre Zirl (damals gehört Reith zur Pfarre Zirl).
- Anna, geb. 1612, Patin: Anna Wanner aus Reith.
- Catharina, geb. 1617, Patin: Anna Wanner.
- Antony, geb. 1624.
Von dieser Familie wissen wir, dass sie „de inferiori seefeld, parochia mittenwaldensis“ ist, also in Unterseefeld, Pfarre Mittenwald, zu Hause ist. Unterseefeld gehört zu dieser Zeit zwar politisch zur Gemeinde Seefeld, pfarrlich aber noch bis 1815 zur Pfarre Mittenwald und damit zur Diözese Freising, während die anderen Seefelder Dorfviertel seit langem zur Diözese Brixen gehören.
Der Familienvater Michael Kuen, stirbt 1640 als „quanda aurigo“, also als „ehemaliger Fuhrmann“ (s. o.). Das weitere Schicksal dieses Kuen-Familienzweiges liegt im Dunkeln, von keinem der Kinder ist eine Familiengründung in Seefeld bekannt. Die Kinder können früh verstorben, nach auswärts geheiratet oder ledig geblieben sein.
Auffällig ist, dass die ersten Kuen in Seefeld in keiner Aufstellung der zinspflichtigen Bürger aufscheinen, also (noch) kein eigenes Haus besessen haben dürften. Dies wohl deshalb, weil die Kuen zu dieser Zeit noch nicht allzu lange in Seefeld sind bzw. als Dienstboten im Dienst des Klosters tätig sind und im Klosterbereich wohnen. Woher sie nach Seefeld zugezogen sind, ist nicht eindeutig zu belegen. Deutliche Indizien sprechen aber dafür, dass die Familie aus dem Raum Zirl-Pettnau stammen könnte. Aber auch eine direkte oder indirekte Herkunft aus dem Allgäu ist möglich.
Als sie im Jahr 1626 anlässlich einer Wallfahrt zum Heiligen Blut in Seefeld (die Wallfahrt existiert zu dieser Zeit bereits seit über 200 Jahren) am großen Kreuz im damaligen Friedhof vorbeikommt, vernimmt sie, wie der Gekreuzigte zu ihr spricht. Das Kreuz wird darauf an den Weg verlegt, der nach Mösern führt. Dort „spricht“ das Kreuz zwei Jahre später noch einmal zur Wallfahrerin Barbara Heißjakl. Diese Begebenheit ist auf einem uralten Fresko an der Außenmauer der Seefelder Kirche dargestellt. Bei einem Jagdaufenthalt in Seefeld ist Erzherzog Leopold sowohl von der ihm berichteten Begebenheit als auch vom Anblick des Leidenden am Kreuz so beeindruckt, dass er die Errichtung einer eigenen Kapelle „Zum Hl. Kreuz“ anordnet und unterstützt. 1628 wird mit dem Bau dieser Kapelle begonnen, die Fertigstellung erfolgt allerdings erst 1666, eine Generation später. Durch den angelegten Stausee rund um die Kapelle herum erhält sie den Namen „Seekirchl“, der dem bedeutenden Seefelder Wahrzeichen und beliebten Fotomotiv trotz des abgelassenen Sees im Jahr 1808 bis heute geblieben ist.
2. Die zweite bekannte Kuen-Generation in Seefeld (ab cà 1640)
In der zweiten Kuen-Generation in Seefeld finden wir Familien von zwei Söhnen des genannten Ehepaares Georg und Anna Kuen, die durch weitere Nachkommen den Familiennamen Kuen tradieren: zum einen die Familie des Georg Kuen jun. und seiner Frau Anna, zum anderen jene des Joannes Kuen und seiner Frau Elisabeth Sailer. Außerdem finden wir Eheschließungen von den zwei Töchtern Anna Kuen und Eva Kuen, deren Kinder den Familiennamen des Ehemannes bzw. Vaters (Schönicher bzw. Schändl) tragen werden.
a) Für das Ehepaar Georg Kuen jun. (in den verschiedenen Schreibweisen) und einer Ehefrau Anna sind folgende Kindertaufen eingetragen:
- Margaretha, 1639, Patin: Lucia Moll.
- Catharina, geb. 1640, Patin: Lucia Moll.
- Gertrud, geb. 1645, Patin: Lucia Nöblin aus Reith. Eine Gertrude Kuen heiratet1669 einen Mann aus Kematen (Name nicht entzifferbar): Trauzeuge: Georg Kuen.
- Jakobus, nur sein Sterbedatum 1647 ist bekannt.
- Balthasar, geb. 1647, Pate: Joannes Moll aus Reith. Balthasar heiratet 1673 die Susanna Gapp. Balthasar verstirbt 1705.
- Benedikt, geb. 1654 Pate: Joannes Moll aus Reith. Benedikt heiratet 1682 die Sabina Klotz. Benedikt verstirbt 1725.
b) Eine zweite Kuen-Familie aus der Nachkommenschaft von Georg Kuen sen. ist jene von Joannes Kuen und Elisabeth Sailer. Dieses Ehepaar ist für die weitere Familientradition der Kuen in Seefeld maßgeblich. Deren Eheschließung erfolgt im Jahr 1648. Der Beruf von Joannes ist mit „famulus conventus“ angegeben, er ist also „Gehilfe“ oder „Knecht“ im Seefelder Kloster. In anderen Zusammenhängen (Pate, Zeuge) wird er als „monast. servus“ (= „Klosterdiener“ oder „Klosterknecht“) bezeichnet. Die Eltern der Eheleute sind leider nicht angegeben. Indizien sprechen aber eindeutig dafür, dass er der Sohn des ersten bekannten Seefelder Kuen-Ehepaares Georg und Anna Kuen ist. 1676 verstirbt ein Joannes Kuen, es ist dies höchstwahrscheinlich der hier genannte Johannes Kuen, der Ehemann von Elisabeth Sailer. Eine Elisabeth Kuenin (vermutlich die Ehefrau von Joannes) verstirbt 1675.
Trauzeugen bei der Eheschließung von Joannes Kuen und Elisabeth Sailer sind Georg Kuen, Joannes Sailer und Joannes Pittl. Georg Kuen ist vermutlich der Bruder des Bräutigams (s. o.), Vertreter der Familie Sailer kennen wir als Taufpaten seiner Onkel und Tanten (s. o.), und Joannes Pittl ist Schneider und z. B. 1653 gemeinsam mit Joannes Kuen Trauzeuge bei einer Tochter der Familie Sailer.
Namentlich bekannte Kinder aus der Ehe von Joannes Kuen und Elisabeth Sailer sind:
- Christina, geb. 1648, Patin: Christina Baldaufin, die Frau des Seefelder Jägers Christophorus Baldauf. Christina Kuen heiratet im September 1670 den Georg Gapp.
- Joannes, geb. 1649, Pate: Christophorus Lindner. Die Zuordnung dieses Kindes zur Familie des Joannes Kuen und der Elisabeth Sailer ist nicht ganz sicher.
- Guilielmus, geb. 1651, Pate: Christophorus Baldauf. Guilielmus (=Wilhelm) verstirbt mit 24 Jahren 1675.
- Agnetis (=Agnes), geb. 1653. Agnes Kuen heiratet 1676 den Witwer und Bauern Urban Tiefenbrunner.
- Magdalena, geb. 1656, Patin: Christina Baldauf.
- OSWALD, geb. 1661, Pate: Christoph Baldauf. Oswald Kuen heiratet 1686 die Susanna Diechtl und wird neuer Schlossberg-Pächter des Klosters. Auf ihn gehen die heutigen „Gschlössler“-Kuen in Seefeld zurück.
- Monica, geb. 1667, Patin: Elisabeth Baldauf. Monika verstirbt bereits 1669.
In einem Aufgebotsverzeichnis des Hörtenbergischen Landgerichts aus dem Jahr 164712 findet sich auf der Liste der 21 zur Landesverteidigung verpflichteten Seefelder Schützen ein Georg Kuen. Vermutlich handelt es sich dabei um den Georg Kuen der zweiten bekannten Seefelder Kuen-Generation, der cà 1602 geboren ist. Auffällig, dass sein Bruder und Stallknecht Joannes Kuen nicht auf der Liste steht. Vielleicht ist dieser wehrunfähig, wahrscheinlich aber aus beruflichen bzw. familiären Gründen unabkömmlich.
c) Neben den beiden Eheschließungen der Söhne Georg Kuen und Joannes Kuen ist auch die Eheschließung von zwei Töchtern bekannt:
Anna Kuen heiratet 1644 einen Michael Schönicher, Sohn von Caspar Schönicher.
Eva Kuen, geb. 1619, Patin Anna Sailer, heiratet ebenfalls 1644. Ihr Mann ist ein Mathias Schändl, Sohn von Michael Schändl und Catharina aus Leutasch. Trauzeugen sind Joannes Kleisl, Thomas Kluckner und Martin Klotz, alles bekannte Familiennamen in Leutasch.
Diese beiden Schwestern heiraten im selben Jahr, Anna im November 1644, Eva im Dezember 1644, nur wenige Monate nach dem Tod ihrer Mutter im Juni 1644.
Erwähnenswert ist, dass alle bisher genannten Eheleute mehrmals als Taufpaten oder Trauzeugen bei Familien eingetragen sind, vor allem natürlich bei jenen der Paten der eigenen Kinder.
Die ersten Kuen-Generationen und Gschlössler-Vorfahren in Seefeld.
3. Die dritte Generation
In der dritten und vierten Kuen-Generation in Seefeld gibt es jeweils sieben bzw. acht Kuen-Hochzeiten, so viele wie in keiner der anderen Generationen.
3.1.Eheschließungen von Kindern des Georg Kuen jun. und seiner Frau Anna (Eheschließung 1638).
Da diese Linie in den nächsten Generationen – dem Familiennamen nach – aussterben wird, werden hier neben den Kindern auch gleich deren Nachkommen genannt.
a) Gertrud Kuen, geb. 1645, heiratet 1669 nach Kematen. Der Name des Ehemannes ist leider nicht mehr zu entziffern.
b) Balthasar Kuen, geb. 1647, heiratet in einer Doppelhochzeit mit seinem Cousin Joannes Kuen im Jahr 1673 die Susanna Gapp, Tochter von Martin Gapp und seiner Frau Agathe aus Mösern. Trauzeugen sind für den Bräutigam der Unterseefelder Müller Urban Walser und der Oberseefelder Caspar Zunterer, für die Braut Caspar Gapp aus Seefeld und Caspar Albrecht aus Mösern. Balthasar Kuen verstirbt 1705.
Bei seiner Geburt dürfte Balthasar Kuen noch in Oberseefeld wohnen, seine Frau Susanna Gapp und auch einige ihrer Kinder sterben aber „am Schlossberg“, somit wird die Familie wohl nach Unterseefeld, vielleicht sogar in das dortige Zollhaus zur Familie des Cousins Oswald Kuen gezogen sein, der von dort aus die Schlossberg-Güter verwalten dürfte. Auch bei Kindern seines Bruders Benedikt Kuen (s. u.) ist als Sterbeort „am Schlossberg“ angegeben. Dass zur damaligen Zeit in einem Haus mehrere Familien wohnen, ist laut Angaben in den Urbarien eher die Regel, als die Ausnahme.
Kinder und deren Nachkommen von Balthasar Kuen und Susanna Gapp:
- Catharina, geb. 1673, Patin: Magdalena Sailer; heiratet 1694 den Martin Nairz aus Zirl (Martin Nairz könnte pfarrlich zu Zirl gehören, aber in der Gemeinde Reith wohnen, Reith gehört pfarrlich zu dieserZeit zur Pfarre Zirl); Trauzeugen sind Joannes Wanner aus Reith, Caspar Gapp aus Mösern, der Wirt Joannes Gruber und der Schmied Georg Sailer, beide aus Seefeld.
- Barbara, geb. 1675, Patin: Magdalena Sailer.
- Maria, geb. 1678, Patin: Magdalena Sailer.
- Bartholomäus, 1680, heiratet 1711 die Brigitta Vogl aus Mittenwald; von den vier Kindern Josephus (geb. 1711, ledig verst. 1786), Anna (geb. 1714), Agnes (geb. 1716) und der nach deren Tod „nachgetauften “Agnes (geb. 1723) gibt es keine Nachkommen. Bartholomäus verstirbt mit 80 Jahren 1760.
- Georgius, geb. 1683, Pate: Bartholomäus Sailer.
- Augustinus, geb. 1687, Pate: Bartholomäus Sailer vertreten durch seine Frau Magdalena; Augustinus heiratet 1711 die Barbara Haller aus Hötting, Tochter von Georg Haller und seiner Frau Salome aus Hötting. Zeugen sind Martin Arnold, Bartholomäus Kuen und Mathias Gapp aus Seefeld, von eventuellen Nachkommen in Seefeld wissen wir nichts.
c) Benedikt Kuen, geb. 1654, heiratet 1682 die Sabina Klotz, Tochter von Albuin Klotz aus Leutasch. Zeugen des Mannes sind die Seefelder Augustinus Erhart, „villicus hospitis“, und Michael Schönacher. Zeugen der Frau sind Joannes Klotz aus Leutasch und Joannes Pitl, Schneider in Seefeld. Benedikt Kuen verstirbt 1725.
Bei der Geburt des ersten Kindes (Georg, s. u.) wird die Mutter Sabina nicht wie bei den nachfolgenden Kindern „Klotzin“, sondern „Prantnerin“ genannt. Vermutlich hat der Matrikenschreiber hier nicht ihren Familiennamen, sondern ihren Vulgonamen verewigt! Ihr Trauzeuge Joannes Klotz stammt immerhin wie ihr Vater Albuin Klotz aus Leutasch, dort lebt zur fragliche Zeit (1628-1709) ein Joannes Klotz vulgo „Prandtus“, später „Prantner“. Noch heute lebt in Leutasch/Ahrn auf einem traditionsreichen Erbhof eine Familie Klotz vulgo „Prantmer“, aus der auch der 2012 verstorbene Leutascher Altbürgermeister Josef Klotz stammt. Pate bei der Taufe von Georgius ist Bartholomäus Gapp, „commorante iuxta Lacum ad S. Crucem“, er wohnt also in der Nähe des Ablass-Sees beim “Seekirchl”.
Kinder aus der Ehe von Benedikt Kuen und Sabina Klotz:
- Georgius, geb. 1682, heiratet 1711 die Monika Schwenninger, eine Tochter der Seefelder Bauersleute Thomas Schwenninger und Ursula Grueber. Die Trauzeugen sind dieselben wie bei seinem Cousin Bartholomäus Kuen und Brigitta Vogl (s. o.), sie heiraten schließlich am selben Tag!
Zumindest drei Kinder des Georg Kuen und seiner Frau Monika sind uns bekannt
15 Jahre später, 1726, heiratet Georg Kuen als Witwer noch einmal. Seine zweite Frau heißt Elisabeth Gschwandtner. Als Wohnort des Ehepaares ist „inferioris seefeld“ (Unterseefeld) angegeben.
Aus dieser zweiten Ehe stammen die Kinder
- Maria, geb. 1686, Patin: Maria Gapp. Verstirbt 1732 “am Schlossberg”.
- Antonius, geb. 1692, Pate: Bartholomäus Gapp. Verstirbt 1717.
- Margarita, geb. 1696, Patin: Margaretha Gappin.
3.2. Eheschließungen von Kindern des Ehepaares Joannes Kuen und Elisabeth Sailer (Eheschließung 1648)
Aus diesem Zweig des Kuen-Clans werden vom Seefelder Augustinerkloster die Pächter für die Schlossberggüter für die nächsten Jahrzehnte eingesetzt. Die Pächter bezahlen dafür einen ordentlichen Pachtzins, der in den Urbarien der betreffenden Jahre im Detail aufgelistet ist.
a) Oswald Kuen, 1661, heiratet 1686 die Susanna Diechtl, eine Tochter der bei der Hochzeit bereits verstorbenen Leutascher Eltern Balthasar Diechtl und seiner Frau Rosina. Trauzeugen bei dieser Eheschließung vor über 325 Jahren sind der Schmied Gregor Sailer, Georg Gapp, der Bäcker Jacob Grueber und der Weber Joannes Pittl, alle aus Seefeld.
Oswald Kuen ist der erste Pächter des klostereigenen Schlossberg-Gutes aus der Familie Kuen. Das Amt übernimmt er von Bartlmä Gressl, „Bstanndtsmann auf dem Milserischen Schloss“ (Urbar 1686). Er wird u. a. bezeichnet als „vilicus in Schlossberg“ (= „Pächter/Verwalter in Schlossberg“), und zusammen mit seiner Frau Susanna als „habitantes in arce Schlossberg“ (= „Bewohner von Schlossberg“), und wieder an anderer Stelle „Archl vom Schlossberg“13.
Oswald Kuen erreicht ein hohes Alter, er verstirbt 1743 als Witwer und als „olim villicus noster in arce vulgo Schlossberg“ (= „unser ehemaliger Pächter auf dem sogenannten Schlossberg“) mit 82 Jahren. Nur eines seiner Kinder geht eine Ehe ein, dieses Ehepaar und seine Nachkommen werden aber den Familiennamen der Kuen („Gschlössler“) bis in unsere Zeit weitergetragen.
Kinder aus der Ehe von Oswald Kuen und Susanna Diechtl:
- Joannes, geb. 1691, Pate: Mathias Hedl; er verstirbt sehr bald.
- Catharina, geb. 1693, Patin: Catharina Hedlin.
- MATHIAS, geb. 1696, Pate: Mathias Hedl, heiratet 1729 die Apollonia Wanner. Er wird wie der Vater Schlossberg-Pächter und seine Nachkommen werden die Kuen-Tradition in Seefeld bis heute weitertragen.
- Joannes, geb. 1698, Pate ist Mathias Hedl, Bauer aus der Nähe von Zirl. Auch Joannes verstirbt wie sein Bruder gleichen Namens sehr früh (1699).
- Magdalena, geb. 1699, Patin: Catharina, die Frau von Philipp Klotz; Magdalena heiratet 1735 den Anton Zunterer (dessen zweite Ehe).
Die „Zunterer Saga“ findest du hier.
b) Christina Kuen, geb. 1648, heiratet im September 1670 den Georg Gapp (1675 – 1745), Sohn von Bartholomäus Gapp und seiner Frau Anna. Dieser Bartholomäus Gapp ist „villicus monastery“, wie schon sein Vater ein vom Kloster eingesetzter Pächter, nicht aber der klostereigenen Schlossberggüter (s.o.).
Diese Tochter (Christina Kuen) eines Knechtes (Joannes Kuen) im Seefelder Kloster der Augustiner heiratet somit den Sohn (Georg Gapp) eines vom Kloster eingesetzten Pächters (Bartholomäus Gapp), der den Vater in dieser Funktion beerben wird. Der oben genannte Bruder von Christina Kuen, Oswald Kuen, wird einige Jahre später selbst Pächter der Klostergüter vom Schlossberg (s. u.). Ein Zeichen dafür, dass die Eheschließungen damals oft in einem „überschaubaren Raum“ stattfinden.
c) Joannes Kuen heiratet 1673, in einer Doppelhochzeit mit dem Cousin Balthasar Gapp (s. o.) die Maria Schönacherin. Leider gibt es zu den Angaben der Eltern von Joannes eine Verwirrung, entweder gibt es bei der Eintragung eine Verwechslung beim Namen des Vaters oder bei der Mutter, deshalb ist nicht auszuschließen (wenn auch unwahrscheinlich), dass Joannes auch der Sohn von Georg Kuen (s. o.) sein könnte. Trauzeugen sind dieselben wie jene bei der Hochzeit des Cousins: für den Bräutigam der Mühlenbetreiber Urban Walser und Caspar Zunterer, beide aus Seefeld, und für die Braut Caspar Gapp aus Seefeld und Caspar Albrecht aus Mösern. Diesem Ehepaar sind keine Nachkommen zuordenbar.
d) Agnetis (=Agnes) Kuen, 1653, heiratet 1676 den Witwer und Bauern Urban Tiefenbrunner. Trauzeugen sind der Unterseefelder Müller Urban Walser, der Verwalter der Schlossberg-Güter Mathias Egger (in dieser Funktion Vor-Vorgänger von Oswald Kuen), Georg Gapp, ein Pächter im Dienst des Klosters und Ehemann von Schwester Christina (s. o.), und der Jäger Christoph Baldauf. Jahrhunderte lang werden die Familien Kuen und Tiefenbrunner als Nachbarn in Unterseefeld wohnen (heute Münchner Straße und Karwendelweg). Alle heute in Seefeld lebenden Tiefenbrunner-Familien („Mugger“, „Berger“) gehen auf dieses Ehepaar zurück.
4. Die vierte Generation der Kuen in Seefeld, die zweite Generation der „Schlössler-Pächter“.
1729 heiratet Mathias Kuen (geb. 1696), der Sohn von Oswald Kuen und Susanna Diechtl, die Apollonia Wanner, Tochter von Josef Wanner und Maria Krueg aus Reith. Als Trauzeugen fungieren neben den Vätern des Brautpaares (Oswald Kuen und Josef Wanner) der Wirt Martin Schandl, der Schmied Joannes Sailer und Anton Tiefenbrunner, alle aus Seefeld.
Oswald Kuen, der Vater von Mathias Kuen, ist zum Zeitpunkt der Eintragung der Eheschließung noch am Leben („ad huc in vivis“). Aber sein Sohn Mathias Kuen ist bereits sein Nachfolger in der Funktion des Pächters der klostereigenen Schlossberggüter.
Die Verwaltung der Schlossberg-Güter betreibt Mathias Kuen vom „Zollhaus“ aus, das in der Aufzählung der Seefelder Feuerstätten aus dem Jahr 1767 (Tiroler Landesarchiv) die Nummer 28 trägt. Das „Schloss“ selbst hat die Nummer 29, ist aber verfallen und unbewohnt. Das Zollhaus steht in der Nähe der Schlossberg-Ruine, vielleicht an der Stelle des heutigen „Römerhofs“, vielleicht an der Stelle des heutigen Schlossberg-Gasthofs oder auf dem Grundstück gegenüber auf der anderen Straßenseite. Lage und Form der in der Urmappe von 1856 eingezeichneten Grundstücke legen diesen Schluss nahe. Im Urbarium von 1743 ist vermerkt, dass Mathias Kuen vom „Zollhaus baym Schlossberg“ mit den dazugehörigen Gütern und dem einzuhebenden Zoll jährlich 40 Gulden zinst. Dies ist – verglichen mit der Höhe des Zinses der anderen Seefelder Zinspflichtigen – ein relativ hoher Jahreszins. Dies besagt, dass die gepachteten Güter einiges „hergeben“.
Obwohl in dieser Generation aus dem „Gschlössler-Clan“ außer Mathias Kuen noch seine Schwester Magdalena Kuen (mit Anton Zunterer 1735, s. o.) und Georg Kuen (mit Monika Schwenninger 1711 und in II. Ehe 1726 mit Elisabeth Gschwantner, s. o.) eine Familie gründen, ist Mathias Kuen der Einzige, durch dessen Nachkommen die Gschlössler-Tradition bis heute in Seefeld weitergeht.
Kinder von Mathias Kuen und Apollonia Wanner:
- JOANNES, geb. 1730, Pate: Joannes Pfefferle; heiratet 1769 die Ursula Neblin; er wird Schlossberg-Pächter in der III. Generation der Familie Kuen. Joannes verstirbt 1805.
- Anna, geb. 1731, heiratet 1768 den Petrus Nebl (=Nöbl), den Bruder ihrer Schwägerin (s. o.). Anna verstirbt 1814.
- Franz, Xaverius, geb. 1732, Pate: Joannes Pfefferle aus Unterseefeld.
- Martinus, geb. 1736, Pate: Joannes Pfefferle; verstirbt 1742.
Mathias Kuen, der „vilicus nostri in Schlossberg“, verstirbt 1755 mit 59 Jahren. Daraufhin wird ein neuer Bestandsvertrag mit dem selben Steuerbetrag von 40 Gulden auf seinen Sohn Johann Kuen ausgefertigt (s. u.).
5. Die fünfte Generation, vom „Schlossberg-Pächter“ zum „Schloss Bauer“
In diese Generation fällt die weltgeschichtlich dramatische Zeit der Französischen Revolution (1789 bis 1799) und die prägende Regierungszeit von Kaiserin Maria Theresia (1740 – 1780). In Innsbruck wird 1765 durch die Eheschließung von Maria Theresias Sohn Leopold II. mit der spanischen Prinzessin Maria Ludovica nicht nur Weltpolitik gemacht, sondern anlässlich dieses kaiserlichen Besuches in Innsbruck auch der alte Stadtgraben zugeschüttet und darauf der Rennweg, der Markt- und Burggraben errichtet, sowie die Gasbeleuchtung in den Straßen installiert und die Triumphpforte errichtet. Diese erinnert allerdings nicht nur an die Hochzeit des Sohnes, sondern auch an den tragischen Tod des Vaters des Bräutigams (und Ehemannes von Maria Theresia), Franz Stephan von Lothringen, der während seines Aufenthaltes in Innsbruck stirbt.
Vier Jahre nach dieser „royalen Hochzeit“ in Innsbruck heiratet 1769, 25 km entfernt und rund 650 Meter höher gelegen, der 39jährige „juvenis“ (=Jüngling) Joannes Kuen, der 1730 geborene Sohn von Mathias Kuen und Apollonia Wanner, die 1734 geborene Ursula Neblin (=Nöbl), eine Tochter des angesehenen Ehepaares Benedikt Nebl und der aus Mösern stammenden Maria Praxmarer, die allerdings bei der Hochzeit der Tochter beide nicht mehr am Leben sind. Trauzeugen sind Anton Widnhofer und Sebastian Suitner.
Exkurs: Die „Redermacherdynastie“ Nöbl
Die Nöbl waren durch Generationen Seefelds Rädermacher. Es gibt in Seefeld Familien, die man über Generationen hinweg bis heute mit einem bestimmten Beruf oder Handwerk in Verbindung setzt: z.B. die Seyrling mit dem Gastgewerbe, die Hiltpolt mit einer Schmiede, die Neuner („Hauser“) mit einem Sägewerk oder die Albrecht mit einem Kaufhaus. Dies war früher nicht anders: Die Zunterer waren Tischler oder Schneider, die Wörndle Jäger – und die Nöbl Rädermacher.
Der Brautvater von Ursula Nöbl, Benedikt Nöbel, ist wie seine Vorfahren Rädermacher an der heutigen Leutascher Straße (an der Stelle der heutigen „Stern Residenz“), er scheint als Besitzer eines Hauses im Urbar von 1758 auf. Seine Bekanntheit und sein Ansehen zeigen sich darin, dass er und seine Frau häufig als Taufpaten und Trauzeugen genannt werden. Ein Vorfahre von Benedikt Nöbl, Caspar Nöbl, zählt bereits 164514 zu den ortsansässigen und zinspflichtigen Familien in Seefeld. Damit gehört die Familie Nöbl (Nebl) zu den ältesten in Seefeld dokumentierten ansässigen Familien.
Nicht nur Joannes Kuen hat sich seinen Ehepartner aus der Familie Nöbl „genommen“ (oder wie immer man die „Wahl“ des Ehepartners damals nennen mag). Bereits ein Jahr vor seiner Eheschließung hat 1768 seine Schwester Anna Kuen in die Familie Nöbl eingeheiratet. Ihr Mann Petrus Nöbl (1726 – 1801), der Bruder ihrer Schwägerin Ursula Nöbl (s. o.), hat bereits 1762 die „Rödmacher Werchstatt“ vom Vater Benedikt Nöbl übernommen. Die Trauzeugen bei der Eheschließung von Anna Kuen und Peter Nöbl kommen aus vier verschiedenen Orten: Balthasar Zollner aus Innsbruck, Mathias Witting aus Telfs, Mathias Zunterer ist Lehrer in Seefeld, und Michael Lötter aus Zirl.
Johannes (Joannes) Kuen übernimmt von seinem Vater Mathias Kuen mit „Bstandtsbrief“ vom 17.3.1755 mit der Funktion als Pächter der Klostergüter vom Schlossberg das Zollhaus, die dazugehörigen Güter und die Zolleinhebung von allen, die den dortigen Schlagbaum passieren. Wie sein Vater zinst er dafür jährlich „auf St. Gertraudi“ 40 Gulden.
Trotz der Übertragung der (niederen) Gerichtsbarkeit und damit auch des Zollpatentes auf das Gericht Hörtenberg im Jahr 1762 wohnt der Pächter weiterhin im Zollhaus und zinst dafür. Allerdings findet sich im Urbar 1758 die Anmerkung, dass der Pächter für den von ihm errichteten Schupfen hinter dem Haus und den dazugehörigen Garten ab dem Jahr 1762 selbst aufzukommen bzw. ihn instandzuhalten habe.
Einschneidend für die Pächterfamilie ist das Jahr 1785. Josef II., der Nachfolger von Maria Theresia, hebt wie viele andere Klöster auch das Seefelder Augustinerkloster auf, die Güter werden nun vom Kloster Stams als Inkorporationsträger der Seefelder Pfarre, verwaltet, ehe der Großteil davon im Zug der endgültigen Aufhebung des Klosters 1807 bei dessen Verkauf 1808 an zwei Privatleute, den Postmeister Anton Hörting und den Metzger Nikolaus Sailer, übergehen.
Wie bereits zu Beginn dieses Beitrages dargelegt, wird Johann Kuen nach der Aufhebung des Klosters nicht mehr als Pächter der Schlossberggüter bezeichnet, sondern als „Schloss Bauer“, wohnhaft im Haus mit der damaligen Hausnummer 30. Johann Kuen ist somit jener Gschlössler, der von seiner Funktion als Pächter der Schlossberggüter, die seine Familie drei Generationen lang inne gehabt hat, in die Funktion eines einfachen aber selbständigen Seefelder Bauern wechselt.
Joannes Kuen verstirbt mit 75 Jahren im Sommer des Kriegsjahres 1805 in Seefeld, seine Frau Ursula als Witwe zuhause bei der Familie ihrer Mutter in Mösern. Drei oder vier ihrer fünf Kinder sind bereits vor ihnen verstorben:
- Josef, geb. 1770, verstirbt im gleichen Jahr,
- Anna Katharina, geb. 1771,
- Maria Anna, geb. 1773, verstirbt 1796,
- Sebastian, geb. 1776, verstirbt 1796.
Nur ein einziges Kind aus dieser Familie schließt eine Ehe:
- Johann Kuen, geb. 1779, heiratet im Kriegsjahr und Todesjahr des Vaters 1805 die Anna Heigl (siehe nächste Generation). Auffällig ist, dass sich ab dieser Zeit die generell übliche Schreibweise des Taufnahmens von Joannes zu Johannes ändert.
Die drei Schlossberg-Pächter aus der Kuen-Familie.
Exkurs: Ein Spektakel sondergleichen
Als spektakuläres Ereignis in Seefeld fällt in die Zeit dieser Generation die zum Teil öffentliche „Austreibung“ (Exorzismus) von mehreren Millionen (!) von Teufeln aus dem Körper des Ötztaler Mädchens Johanna Scheiber im Jahr 1783. Nach mehreren vergeblichen Bemühungen in ihrer Heimat, das Kind von seiner Pein der „Besessenheit“ zu erlösen, werden die Mönche des Seefelder Klosters von der Obrigkeit darum ersucht. Es wird berichtet, dass Tausende (!) Schaulustige aus dem ganzen Land zu diesem aus heutiger Sicht völlig unverständlichen Spektakel nach Seefeld kommen, um den täglichen Bemühungen der Mönche beizuwohnen.15
6. Die sechste Generation, eine „Kriegsgeneration“
Nur das jüngste Kind der Familie von Joannes Kuen und Ursula Nöbl, Johann Kuen, geb. 1779, kann eine Familie gründen. Er heiratet im auch in Seefeld stürmischen Kriegsjahr 1805 die Anna Heigl. Sie ist 1778 als Tochter von Ingenuin Heigl und Monika Nairz geboren. Ihr Vater Ingenuin Heigl stirbt 1805 mit 65 Jahren, Mutter Monika mit 61 Jahren einen Tag (!) vor ihrem Mann. Ein ereignisreiches Jahr also nicht nur für Seefeld, sondern auch für die junge Familie Kuen-Heigl: die Eltern von Anna Heigl sterben nicht nur einen Tag hintereinander, gut zwei Monate später heiratet die Tochter Ursula Heigl, und eine Woche nach der Hochzeit der Tochter stirbt der 75 jährige VaterJoannes Kuen sen. des bereits verstorbenen Ehemannes Johann Kuen jun. Im Spätherbst dieses Jahres ereignen sich dann die schrecklichen Kriegsereignisse, die für den ganzen Ort und seine Bewohner viel Elend bringen.
Anna Heigl stammt aus einer der ältesten der bis heute in Seefeld ansässigen Familien. Ein Wilhelm Heigl ist 1647 unter den wehrpflichtigen Seefelder Schützen. Das Elternhaus von Anna Heigl mit der HNr. 50 (ältere Nummerierung 30) zählt zu den ältesten Häusern in Seefeld, die auch heute noch stehen, zumindest in ihrer Grundstruktur. Es ist das Haus an der Kreuzung der heutigen Klosterstraße/Möserer Straße der Heigl Antonia („Heigl Poppi“), direkt angebaut an das Haus Nr 51, das seinerzeit die Tudererliesl der Familie Rauth übergeben hat und das heute Rauth Rainer gehört. Diese alten Häuser sind im Ortsbild durch ihre niederen Hausnummern erkennbar: alle Häuser mit einer Nummer zwischen 1 und 94 sind bereits 1856 gestanden, nur in Einzelfällen wurde die Hausnummer auf ein anderes Haus an einem anderen Standort übertragen (z. B. Nr. 5, Nr. 54, Nr. 75).
Johann Kuen und Anna Heigl schenken (mindestens) neun Kindern das Leben, vier davon erleben nicht einmal ihren ersten Geburtstag, ein weiteres Kind stirbt mit 6 Jahren, zwei „Kinder“ versterben ledig mit 47 bzw. 76 Jahren, und nur zwei Kinder schließen eine Ehe, wovon eine kinderlos bleibt:
- Elisabeth, geb. 1806, Patin: Elisabeth Markt aus Mösern; verst. 1806.
- Johann, geb. 1807, Pate: der Unterseefelder Weber Joann Haselwanter; verst. 1807.
- Elisabeth, geb. 1808, Patin: Elisabeth Markt; ledig verst. 1855.
- Maria, geb. 1810, Patin: Elisabeth Markt; verst. 1810.
- Maria, 1812, heiratet 1857 den Johann Klocker vom Kerschbuchhof.
- Johann, geb. 1814, Pate: Johannes Haselwanter; verst. 1814.
- SEBASTIAN, geb. 1816, Pate: Johannes Haselwanter; heiratet 1851 die Nothburg Schöpf; verst. 1858; „Stammhalter“.
- Johann, geb. 1819, Pate: Johann Haslwanter; verstirbt 1895 ledig im Elternhaus Nr. 88.
- Anton, geb. 1824, Pate: Johann Haselwanter; verst. 1830.
Die Tragik der vielen Todesfälle unter den Kindern dieser Familie kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass man bei neun Kindern mit fünf Taufnamen „auskommt“. Den verstorbenen Kindern nachgeborene Kinder werden einer allgemeinen Praxis folgend „nachgetauft“.
Die Familie von Johann Kuen „Schlössler“ und Anna Heigl wohnt im Haus, das heute den Namen „Römerhof“ mit der Adresse Münchner Straße 88 trägt. Damals allerdings noch in der alten Zählung als Hausnummer 55, sie wird um 1850 wie alle Seefelder Hausnummern umgestellt.
Johann Kuen verstirbt im Februar 1849 mit 70 Jahren an einer Lungenentzündung, seine Frau Anna Heigl nur 4 Tage nach ihrem Mann mit 71 Jahren an „Altersschwäche“.
7. Die siebte Generation
Die Familie Kuen ist inzwischen bereits seit mehr als 200 Jahren in Seefeld anwesend. Finden wir in der Anfangszeit noch mehr als eine Kuen-Familie, die gleichzeitig in Seefeld wohnen, ist dies seit 1729 nicht mehr der Fall. Und so wird es auch bis 1922 bleiben: es gibt durch vier Generationen (!) hindurch in jeder Generation immer nur eine einzige Familie mit dem Namen Kuen. In dieser Generation ist es die Familie von Sebastian Kuen und Nothburg Schöpf.
a) Sebastian Kuen, 1816, heiratet 1851 die gleichaltrige Nothburg Schöpf (1816 – 1892), eine Tochter von Franz Schöpf und Helena Seyrling.
Der Bruder von Nothburg Schöpf ist Josef Schöpf (1832 – 1901), Bauer und Waldhüter, „Leneler“ auf HNr. 52, verheiratet mit Franziska Zunterer. Sie sind die Großeltern des späteren Seefelder Bürgermeisters und ersten Obmanns der Musikkapelle Seefeld Josef Schöpf. Die Familie Schöpf gehört zu den alteingesessenen Seefelder Familien. Bereits um 1700 scheint im Seefelder Urbarium ein zinspflichtiger Sebastian Schöpf auf.
Sebastian Kuen wird nicht sehr alt. Bei seinem frühen Tod 1858, 7 Jahre nach seiner Eheschließung, ist er erst 42 Jahre alt. Sein jüngstes Kind ist zu diesem Zeitpunkt erst etwas mehr als zwei Jahre alt. Seine Frau Nothburg lebt noch 34 Jahre als Witwe und verstirbt 1892.
Trotz der kurzen Ehezeit schenken sie drei Kindern das Leben:
- ALOIS, geb. 1853, Pate: Valentin Seyrling; Alois heiratet 1891 die Filomena Seelos und führt die Familientradition im Elternhaus fort (siehe unten). Er verstirbt 1923.
- Regina, geb. 1854, heiratet 1890 den Alois Seelos (mit Filomena nicht direkt verwandt). Regina verstirbt 1932.
- Valentin, geb. 1856, verstirbt ledig mit 34 Jahren im Jahr 1890.
Der jüngere Bruder von Sebastian und damit der Onkel der angegebenen Kinder, Johann Kuen, geb. 1819, bleibt im Elternhaus bis er 1895 mit 75 Jahren ledig verstirbt. Er ist sicher die ersten Jahre nach dem frühen Tod seines 1858 verstorbenen Bruders der „Mann im Haus“, der auf das Haus, die Witwe und ihre drei Kinder schaut, bis sein Neffe Alois Kuen (geb. 1853) im Jahr 1891 heiratet und den Hof übernimm, vier Jahre bevor der Onkel Johann Kuen 1895 verstirbt.
b) Maria Kuen, 1812, die Schwester von Sebastian Kuen, ist das zweite der neun Kinder vom „Schlössler“ Johann Kuen und seiner Frau Anna Heigl, das eine Ehe schließt. Mit 45 Jahren heiratet sie im Jahr 1857 als „Schlösslertochter in Unterseefeld“ den verwitweten 51 jährigen Kerschbuchhofbesitzer Johann Klocker.
Der Kerschbuchhof in Innsbruck-Kranebitten ist einer der uralten Höfe im Westen von Innsbruck nördlich des Inn (wie z. B. Berchtoldshof, Harterhof, Planötzenhof, Kranebitter Hof…). Der Hof taucht bereits 1305 in einem Urbar des Klosters Wilten auf. Er war lange Zeit im landesfürstlichen Besitz und wurde als Lehen vergeben, diente der „landesfürstlichen Jagdlust“ bis er 1676 auf bäuerliche Eigentümer überging. Die Besitzer wechselten ständig.
8. Die achte Generation zur Jahrhundertwende
Von den drei Kindern des Sebastian Kuen und der Nothburg Schöpf bleiben zwei Kinder ohne Nachkommen:
a) Valentin Kuen (geb. 1856) verstirbt ledig mit 34 Jahren im Jahr 1890.
b) Seine Schwester Regina Kuen (geb. 1854) heiratet im Todesjahr ihres Bruders Valentin 1890 den Alois Seelos und zieht mit ihm von einem Ende des Dorfes im Norden an das andere Ende des Dorfes in das erste Haus aus Reith kommend mit der Hausnummer 1. Alois Seelos stammt aus Oberleutasch, seine Eltern sind die dortigen Bauersleute Dominikus Seelos und Monika Neuner.
Die Ehe bleibt ohne Nachkommen, sodass das Haus nach ihnen an die Familie Faustmann verkauft wird. Regina Kuen ist aber bereits vor ihrer Eheschließung zweimal Mutter geworden: Theresia, geb. 1873, verstirbt 1875, und Berta, geb. 1875, verstirbt am Tag der Geburt. In der zweiten Jahreshälfte 1875 schlägt das Schicksal aber nicht nur am Römerhof, sondern in ganz Seefeld grausam zu: 13 (!) Seefelder Kinder aus 7 Familien sterben in diesen Wochen in Seefeld an Scharlach.
c) Alois Kuen: Ein Jahr nach dem frühen Tod seines jüngeren Bruders Valentin (1856 – 1890) und der im gleichen Jahr stattgefundenen Eheschließung seiner Schwester Regina 1890 (s. o.) heiratet der älteste Sohn von Sebastian Kuen und Nothburg Schöpf: Alois Kuen, geb. 1853, heiratet 1891 die Filomena Seelos, geb. 1866, eine Tochter von Wendelin Seelos „Kössler“ und Magdalena Heis, Bauersleute in Oberleutasch, Moos Nr. 3. Diese Verbindung verleitet Alberta Kuen (s. u.) zum Wortspiel: „die Kössler kommt zum Gschlössler“.
Filomena Seelos hat bei ihrer Eheschließung bereits zwei außereheliche Kinder, die sie nach Seefeld mitbringt:
- Sohn Silvester Seelos kommt 1885 auf die Welt, während Filomena Seelos als Dienstmagd in Scharnitz beschäftigt ist. Taufpatin ist die ledige Schwester der Mutter, Kreszenz Seelos. Der Schreibnahme von Silvester Seelos wird 1904 amtlich auf Neuner geändert, er wächst bei der Familie seines Vaters in Scharnitz auf. Es wird berichtet, dass er immer, wenn ihn der Weg nach Seefeld führt, bei seiner Mutter einkehrt, die inzwischen als Frau von Alois Kuen Bäurin am „Römerhof“ ist. 1921 heiratet Silvester Neuner (geb. Seelos) als Fuhrmann die Anna Neuner, eine Tochter der Familie Josef Neuner und Karolina Böck aus dem Bayrischen Wallgau. Sie haben zwei Söhne, die im Haus Scharnitz Nr. 35 auf die Welt kommen: Johann Neuner, geb. 1922, und Josef Neuner, geb. 1923, Taufpate bei beiden ist Friedrich Neuner. Silvester Neuner verstirbt bereits mit 49 Jahren im Jahr 1935.
Beide Söhne von Silvester Neuner (geb. Seelos) und Anna Neuner heiraten. Der jüngere Sohn Josef Neuner zieht nach Bayern und wohnt heute dem Vernehmen nach in Herrsching am Ammersee. Der ältere von beiden, Johann Neuner, wird als „Kortler Hans“ eine bekannte Persönlichkeit am Seefelder Plateau. Er ist wie der Vater Fuhrmann und heiratet 1945 die um etliche Jahre ältere Theresia Gruber, zu Diensten im „Karwendlhof“. Trauzeugen sind Johann Fliri und Wilhelm Neuner, beide aus Scharnitz. Der „Kortler Hans“ geht als langjähriger Bürgermeister, Ehrenbürger und Ehrenmitglied vieler Vereine in die Geschichte von Scharnitz ein. Im Februar 2012 kann der geehrte Gemeindebürger seinen 90. Geburtstag feiern, allerdings verstirbt er bereits im Dezember des gleichen Jahres im 91. Lebensjahr.
- Tochter Kreszenz Seelos kommt 1887 auf die Welt, sie heiratet 1906, 15 Jahre nach der Eheschließung der Mutter Filomena, einen Sohn aus dem Nachbarhaus Nr. 84/85, den 1879 geborenen Bergknappen Josef Schwenninger „Noarz“. Kreszenz verstirbt 1959.
Auch diese Eheschließung zeigt, in welch „überschaubaren“ Rahmen damals die Ehen geschlossen werden. Die Familiengeschichte ihres Bräutigams Josef Schwenninger verdeutlicht dies beispielhaft und anschaulich: er ist der Sohn von Mathias Schwenninger (1841 – 1905) und Karolina Neuner (1842 – 1899), die 1876 geheiratet haben. Karolina Neuner stammt aus dem nur wenige hundert Meter entfernten Haus Nr. 93 und ist die Tochter von Balthasar Neuner, dem Begründer des Seefelder „Hauser-Clans“ und Betreiber des bis 2017 in Betrieb stehenden Sägewerkes, und der Franziska Krug aus Mösern.
Die Mutter von Mathias Schwenninger wiederum stammt aus der bekannten Seefelder Familie Rauth, den ursprünglichen Besitzern des Hauses Nr. 84: Theres Rauth (1800 – 1873), Tochter von Josef Rauth und Cäzilia Kluckner. Der Vater von Mathias Schwenninger, Georg Schwenninger „Noarz“, heiratet sie 1836 und zieht von seinem Heimathaus Nr. 71 (heute „Beim Christl“) in das Elternhaus seiner Frau, das seither mit dem Namen Schwenninger und dem Hausnamen „Noarz“ verbunden ist.
Nach den zwei unehelich geborenen Kindern hat Filomena Seelos mit ihrem Ehemann Alois Kuen folgende gemeinsame Kinder:
- Alois, geb. 1892, verst. 1892.
- JOSEF, „Gschlössler-Seppl“, geb. 13.3.1893; heiratet 1922 die Marie Hiltpolt. Er verstirbt 1973.
- ALOIS, geb. 1895, Patin: Kreszenz Seelos; heiratet 1923 die Stefanie Feulner. Verstorben 1977.
- Johann (Alfons), geb. 1896, Patin: Kreszenz Seelos; 1916 gefallen im I. Weltkrieg in Südtirol.
- Maria und Aloisia, Zwillinge, geb. 1896, Patin: Kreszenz Seelos verehel. Nairz. Aloisia Kuen heiratet 1918 den Romedius Norz (1886 – 1973), sie verstirbt 1976; die Zwillingsschwester Maria verstirbt bereits 1898.
- Anonymus, Totgeburt 1902.
In dieser achten uns bekannten Kuen-Generation in Seefeld wird das alte und einfache Bauernhaus am Ortsausgang von Seefeld 1914 zum heutigen „Römerhof“ umgebaut. Nach Angaben der Enkelin von Alois Kuen und Filomena Seelos, Alberta Kuen (1923 – 2014, s. u.), ist dieser Umbau möglich, da durch den Eisenbahnbau einige Grundstücke (oder Teile davon) an die Bahn abgegeben werden müssen und deshalb Geld zur Verfügung steht. Gleich bei der Ausfahrt vom Seefelder Bahnhof Richtung Scharnitz hinter dem Bahnschranken quert die Bahntrasse eines dieser Grundstücke, auf dem heute, links und rechts der Bahntrasse, die Häuser von Nachkommen der Familie Kuen stehen: links die Häuser „Haus Kuhn“ (erbaut von Alois Kuen und Stefanie Feulner) und das „Haus Sonnenheim“ (erbaut von Alma Kuhn und Johann Bachnetzer), und auf der rechten Seite das „Haus Bacher“ (erbaut von Tochter Aloisia Kuen und Romedius Norz).
Beim Umbau des Kuen-Stammhauses „Römerhof“ kommen alte Mauern und altes Gebälk zum Vorschein, das der Überlieferung nach Material der alten Burg ist. Berichtet wird, dass auch andere Seefelder Baumaterial von der Ruine Schlossberg verwendet haben sollen17.
Der Bahnbau in Seefeld wirkt sich für die Familie Kuen auch noch in einer anderen Weise aus: im Raum der heutigen Stube im „Römerhof“ führen die Italiener, die zahlreich beim Bahnbau beschäftigt sind, während der Zeit ihres Aufenthaltes in Seefeld ein eigenes „Geschäft“, wo sie sich selbst aber auch andere mit dem Notwendigsten versorgen.
In der nächsten Generation, aber noch zu Lebzeiten der verwitweten Mutter, wird dann 1930 eine Zentralheizung eingebaut. Damit ist nach Meinung von Alberta Kuen der „Römerhof“ das erste Haus in Seefeld, das Privatzimmer mit diesem Luxus an Gäste vermieten kann.
Alois Kuen verstirbt mit 70 Jahren in der Nacht vom 31.12.1923 auf 1.1.1924, deshalb findet man in den Dokumenten als Sterbejahr sowohl 1923 als auch 1924. Seine hinterlassene Witwe Filomena Seelos stirbt 15 Jahre später 1939.
Die letzten Gchlössler-Generationen („Schloss-Bauern“) in Seefeld.
Korr. 5.2.21 H.N.: Die Zwillinge Maria und Aloisia Kuen kommen 1898(!) auf die Welt, nicht 1896 (Danke Mitch Rauth!)
9. In der Gegenwart angelangt: die neunte und zehnte Gschlössler-Generation in Seefeld
Von den sieben Kindern der Eheleute Alois Kuen und Filomena Seelos sterben vier in jungen Jahren: ein Kind kommt tot auf die Welt (Anonymus), eines (Alois Kuen) stirbt im ersten, ein weiteres (Maria Kuen) im zweiten Lebensjahr. Johann Kuen wird als 18 jähriger Soldat einer der zehn Seefelder Opfer des I. Weltkrieges (s.o.).
Die anderen drei Kinder (Aloisia Kuen, Josef Kuen und Alois Kuen) heiraten und gründen eine Familie:
a) Tochter Aloisia Kuen (geb. 1896), deren Zwillingsschwester Maria bereits mit zwei Jahren verstorben ist, heiratet 1918 den Bahnbediensteten Romedius Norz, geb. 1886 in Reith HNr. 52. Bereits 1915 schenkt Aloisia Kuen einem Sohn Ernst Kuen das Leben, der durch die Eheschließung mit dessen Vater Romedius Norz 1918 legitimiert wird und fortan den Familiennamen Norz trägt.
Romedius „Medi“ Norz ist der Sohn von Wilhelm Norz und Theresia Rödlach, Bauersleute in Reith-Mühlberg, Eheschließung 1875. Seine Großeltern väterlicherseits sind Wilhelm Norz und Monika Haslwanter, jene von Seiten der Mutter Andreas Rödlach und Anna Gapp. Das Elternhaus der Vorfahren von Romedius Norz am Mühlberg in Reith ist ein uralter Hof. Laut Urbar von 1678 entrichtet der Besitzer dieses Hauses, Andreas Norz, wie auch sein Nachbar Simon Gapp einen jährlichen Grundzins von 1f 24kr. Der Hof brennt in der frühen Jugend von Romedius Norz nieder und wird nicht wieder aufgebaut.
Medi Norz und Aloisia geb. Kuen schenken neun Kindern das Leben. Zwei Söhne werden Opfer des II. Weltkrieges: Ernst Norz ertrinkt im Dezember 1940 als Militärmusikant in den Fluten des Skagerrak, Hubert Norz kommt 1943 in Kostejewo (heute Weißrussland) ums Leben. Die anderen sieben Kinder, Leni, Arnold, Antonia, Erna, Steffi, Willi und Frieda Norz heiraten, gründen eine Familie, durch ihren Wohnort-Wechsel bringen einige das „Gschlössler-Gen“ nach Reith, Auland, Scharnitz, Hippach und in die Schweiz.
Das Ehepaar wohnt zuerst im Heimathaus der Frau am „Römerhof“, wo1925 auch nochdie gemeinsame Tochter Antonia Norz (heute „Sondlers Toni“ in Reith) auf die Welt kommt. Sohn Hubert kommt dann bereits im neuen Haus Nr. 132 auf die Welt. Heute kennt man das Haus als „Haus Bacher“.
b) Sohn Josef Kuen (geb. 1893) übernimmt das elterliüche Anwesen „Römerhof“. 1922 heiratet er als „Gschlössler Seppl“ in der Wallfahrtskirche Absam die Marie Hiltpolt, 1892, Tochter des Seefelder Schmiedemeisters Anton Hiltpolt und seiner Frau Magdalena Draxl. Als Trauzeugen fungieren Adolf Hilpolt, der ledige Bruder der Braut und ebenfalls Schmiedemeister sowie Max Haider, der Pfarrmesner in Absam, der bei fast allen der zahlreichen Eheschließungen von Seefelder Hochzeitspaaren in Absam als Trauzeuge aufscheint.
Josef Kuens Ehefrau Maria Hitpolt stammt aus der bekannten Seefelder Schmiedemeister–Familie Hiltpolt. Diese Familie geht zurück auf Josef Hiltpolt aus dem Südtiroler Dorf Außerried am Eingang ins Grödental (Gemeinde Lajen, Gerichtsbezirk Gufidaun), der mit Anna Plunger verheiratet ist. Sein Sohn Anton Hiltpolt (geb. 1767) kommt nach Seefeld und kauft hier 1805 den bereits seit langer Zeit im Dorfzentrum von Seefeld existierenden Betrieb des Schmiedemeisters Anton Gruber. Dieser „Gruber Toni“ kommt in den Geschichtsquellen zu den kriegerischen Auseinandersetzungen 1805 und 1809 im Raum Seefeld-Scharnitz-Mittenwald immer wieder als schillernde Figur vor.
1806 heiratet Anton Hiltpolt die Maria Zunterer, und nach deren frühen Tod 1809 in zweiter Ehe 1810 die Ursula Spieß. In weiterer Folge übernimmt deren Sohn Anton Hiltpolt (geb. 1814) den Schmiedebetrieb und heiratet 1844 die Karolina Heigl aus Reith. Aus dieser Ehe stammen insgesamt neun Kinder, davon sterben allerdings sechs Kinder bereits als Säuglinge oder Kleinkinder, eine weitere Tochter wird nur 26 Jahre alt. Die verbleibenden zwei Kinder schließen eine Ehe und werden Stammeltern von weit verzweigten Nachkommen:
– Tochter Magdalena Hiltpolt (geb. 1855) heiratet 1880 den Josef Sailer „Jagermartl“, sieben ihrer elf gemeinsamen Kinder schließen wiederum eine Ehe. Magdalena stirbt 1895 im Kindbett ihrer Tochter Anna (der späteren Frau vom Neuner „Hauser“ Hans in Unterseefeld), ihr Mann heiratet als Witwer in zweiter Ehe 1898 die Bertha Schatz, aus dieser Ehe stammen weitere sechs Kinder, von denen fünf eine Familie gründen.
– Sohn Anton Hiltpolt (geb. 1858) heiratet 1888 die Magdalena Draxl aus Leutasch. Auf ihren Sohn Adolf Hiltpolt (geb. 1893) und dessen Frau Theresia Neururer gehen alle heute in Seefeld ansässigen Hiltpolt zurück.
Eine Tochter von Anton Hiltpolt ist die Maria Hiltpolt, die 1922 durch ihre Eheschließung mit Josef Kuen in die Familie der „Gschlössler“ einheiratet und in den „Römerhof“ nach Unterseefeld zieht. Hier ist sie aber nicht ganz fremd: ihre Cousine Karolina Sailer ist im Nachbarhaus mit Josef Rofner verheiratet, und eine andere Cousine Anna Sailer hat zum Johann Neuner „Hauser Hans“ beim Sägewerk geheiratet.
Die Kinder aus der Ehe von Josef Kuen und Maria Hiltpolt:
- Alberta, geb. 1923, Patin: Theresia Hiltpolt, die Gattin des Schmiedemeisters. Alberta verstirbt als letzte „Gschlösslerin“ auf dem Römerhof ledig mit 91 Jahren 2014.
- Antonia (“Toni”), geb. 1924, Patin: Theresia Hiltpolt; ledig verstorben 1993.
- Josef und Marie, Zwillinge, geb. 1927, Marie verstirbt drei Monate nach der Geburt, Josef wird 1945 ein spätes Opfer des II. Weltkrieges.
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Die 1.000-Mark-Sperre verhindert Einnamen aus der Vermietung des Hauses, auf dem noch etliche Schulden lasten. Diese 1933 eingeführte Maßnahme der Deutschen Reichsregierung zu Lasten der Österreichischen Wirtschaft bringt den aufkommenden Fremdenverkehr jäh zum Erliegen, denn kaum ein deutscher Staatsbürger kann diese beim Grenzübertritt nach Österreich fällige Gebühr (nach heutiger Kaufkraft etwa EUR 4.200!) bezahlen.
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Der Familienvater Josef Kuen arbeitet als Bergmann in den Gruben beim Ankerschlag. Die Firma Hermani kann die Arbeiter zwar noch einige Zeit beschäftigen, aber 1936 muss auch er zusperren, Josef Kuen verliert – wie viele andere – seine Arbeitsstelle und damit die Familie das regelmäßige Einkommen.
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Zu allem Überdruss muss der einzige Sohn Josef (geb. 1927, Zwillingsbruder der bereits wenige Wochen nach der Geburt verstorbenen Marie) als einer der letzten Seefelder noch im Jahr 1944 als 18-Jähriger einrücken. Auf der Fahrt an die Front erkrankt er an einer Lungenentzündung, von der er sich nicht mehr erholt. Im Oktober 1945 kommt er als Kriegsgefangener in einem Lazarett in Sarajevo ums Leben.
Nach dem Krieg geht Josef Kuen sen. bis zu seiner Pensionierung 1958 wieder „knappen“, währenddessen führt in erster Linie Tochter Alberta die Landwirtschaft.
Die Ehefrau und Mutter Marie Hiltpolt verstirbt 1958 mit 66 Jahren. Nun ist der Vater mit seinen zwei Töchtern allein im Haus. Er verstirbt nach 15 Witwer-Jahren 1973.
1946 wir durch Verordnung der Landeshauptmannschaft der Familienname endgültig mit „Kuen“ festgelegt. Die Kinder wurden bei ihrer Geburt ja noch mit dem Familiennamen „Kuhn“ angegeben. Damit ist der „Vielfältigkeit“ der Schreibweise des Familiennamens durch die Jahrhunderte hindurch ein amtliches Ende gesetzt – nur auf dem Haus von Adolf Kuhn (geb. 1928, ein Cousin von Alberta Kuen), prangt bis heute einer der zahlreichen alten Schreibweisen des Familiennamens in der Hausbezeichnung „Landhaus Kuhn“. Adolf Kuhn und seine Eltern haben sich der amtlichen Änderung des Familiennamens von Kuhn auf Kuen im Jahr 1946 nicht angeschlossen.
c) Sohn Alois Kuen (geb. 1895), „Gschlössler Lois“, wird Bahnarbeiter in Seefeld und
heiratet 1923 in Innsbruck-Mariahilf die in München 1899 geborene, inzwischen aber in Seefeld lebende Stefanie Feulner, eine Tochter der Henriette Feulner. Trauzeugen sind der Seefelder Wegmacher Josef Haslwanter und Otto Lenhart, der Pfarrmesner von Mariahilf.
Das Ehepaar baut sich in der Andreas Hofer Straße (hinter dem heutigen Hotel Elite) ein Haus mit der HNr. 131, „Haus Kuhn“.
Alois Kuen verstirbt 1977, seine Frau Stefanie bereits sechs Jahre vorher 1971.
Aus der Ehe von Alois Kuen und Stefanie Feulner stammen zwei Kinder:
- Sohn Adolf „Bubi“ Kuhn kommt 1928 auf die Welt. Er arbeitet jahrelang in Deutschland und bei der Bahn, als Nachfolger auf dem Elternhaus betreibt er im Nebenerwerb eine kleine Landwirtschaft. Er bleibt bis heute ledig.
- Tochter Alma Kuhn, geb. 1933, heiratet in Seefeld 1960 den Johann Bachnetzer (1930 – 2011), der jahrelang in Seefeld bei der Post arbeitet. Die Eheleute bauen sich hinter dem Elternhaus (heute Andreas-Hofer-Straße 429) das „Sonnenheim“. Alma Kuhn verstirbt 1989, aus dieser Ehe stammen keine Nachkommen.
Damit endet nicht nur diese „Gschlössler-Saga“, sondern mit dieser Generation auch die Jahrhunderte lange Familientradition der „Gschlössler“ in Seefeld.
Am Ende dieses Hineinschmökerns in die Geschichte dieses traditionsreichen Seefelder Familienclans ergibt sich folgender zusammenfassender Überblick:
An Hand der schriftlichen Aufzeichnungen vor allem in den Seefelder Kirchenbüchern können wir die Geschichte der Kuen in Seefeld ab cà 1600 bis heute, also durch über 400 Jahre hindurch, nahezu lückenlos nachverfolgen.
Wir kennen die Gschlössler-Familien aus zehn Generationen.
Die Gschlössler sind durch die Jahrhunderte hindurch immer einfache Leute geblieben, die weder in der Dorfpolitik noch darüber hinaus eine im herkömmlichen Sinn besonders auffällige Rolle spielen. Auch ihre Funktion als Pächter der Schlossberg-Güter gilt es realistisch einzuschätzen: sie bewirtschaften in dieser Zeit keine großartigen „Latefundien“, können aber davon leben. In ihrer Familiengeschichte findet sich an Freud und Leid, an Mühe und Plage, an Hoffnung und Verzweiflung alles wieder, was die Menschen in einem kleinen Dorf in einer klimatisch ausgesetzten Lage durch die Jahre hindurch prägt.
Für die Zeit, die wir durch vorhandene Dokumente überblicken, kommen in Seefeld bis heute
- mindestens 88 Gschlössler-Kinder auf die Welt, 47 Buben und 41 Mädchen.
- 30, vielleicht 31 von ihnen schließen eine Ehe, 19 davon sind Männer, die den Familiennamen Kuen an die nächste Generation weitergeben, wenn sie Nachkommen haben.
- Alles in allem ist der Gschlössler-Clan ein kleiner Familien-Clan. Am größten ist der Clan in Seefeld in der dritten, vierten und fünften bekannten Generation, hier gibt es bis zu 8 Eheschließungen in einer Generation mit insgesamt bis zu 15 Geburten.
Auch wenn die Tradition der Seefelder „Gschlössler“ mit dem Familiennamen Kuen in Seefeld mit der 10. Generation zu Ende geht, lebt – biologisch betrachtet – das „Gschlössler-Gen“ in vielen anderen Familien fort. Immerhin sind fast alle heute in Seefeld lebenden Rauth-Familien (Hartler“, „Mugger“, „Schneider Sigl“…), die seit vielen Generationen in Seefeld leben, auf die Eheleute Magdalena Kuen und Simon Rauth zurückzuführen, die 1751 hier geheiratet haben. Auch alle heute in Seefeld anzutreffenden Nachkommen mit dem Familiennamen Tiefenbrunner („Mugger“, „(P)Berger“…) entstammen einer ehelichen Verbindung mit einer Kuen-Tochter: Agnes Kuen heiratet 1676 den Urban Tiefenbrunner.
- Dieser Beitrag ist die überarbeitete Fassung der „Gschlössler Saga“ im Jahrbuch 2012 der Gemeinde Seefeld [↩]
- Radierung von C.Viehbeck, um 1815 [↩]
- Alle aktuellen Fotos und Organigramme in diesem Beitrag: Hans Neuner [↩]
- aus: https://de.wikipedia.org/wiki/Seefeld_in_Tirol [↩]
- Siehe Bitschnau M., Schlossberg, in: Tiroler Burgenbuch, VI. Band, Mittleres Inntal, Hg. von Oswald Trapp, Bozen 1892, 15 – 28 [↩]
- Pfarrarchiv Seefeld [↩]
- z. B. in: Status Animarum Parochiae Seefeldensis ab Anno 1785, Pfarrarchiv Seefeld. [↩]
- z. B. in den Protokollen zur Urmappe 1856, Bundes Eich- und Vermessungsamt Innsbruck. [↩]
- https://apps.tirol.gv.at/bildarchiv/#1513162753882_0 [↩]
- Finsterwalder K., Tiroler Familiennamenkunde, Schlern-Schriften 284, Innsbruck 1994, 374. [↩]
- Fresko auf der Seefelder Kirchenmauer [↩]
- Festschrift der Schützenkompanie Seefeld, Battaillonsschützenfest 6.-9.8.1999 in Seefeld. [↩]
- Wahrscheinlich von „archarius“ (= „Schatzmeister“) Siehe: Riepl R., Wörterbuch zur Familien- und Heimatforschung in Bayern und Österreich, 2009, 27. [↩]
- Liste der zinspflichtigen Seefelder aus dem Jahr 1645, Pfarrarchiv Seefeld. [↩]
- s. Johann Pezzl, Anmerkungen über den Teufel zu Seefeld in Tirol, Seefeld 1783, St.Monicabruderschaft. Verschiedene Nachdrucke, z.B. Hansebooks 2016 [↩]
- Katschthaler H., Der Kerschbuchhof am Eingang zur Kranebitter Klamm, in: Tiroler Heimatblätter 51, 1976, 102 – 127. [↩]
- Bitschnau M., Schlossberg, in: Tiroler Burgenbuch, VI. Band, Mittleres Inntal, Hg. von Oswald Trapp, Bozen 1892, Anmerkung 66, Seite 28. [↩]